„Stealthing“

Das sogenannte „Stealthing“ beschreibt das unerlaubte Entfernen eines Kondoms während des Geschlechtsverkehrs ohne Zustimmung des Partners. Diese Praxis wirft erhebliche rechtliche Fragen auf, da sie sowohl strafrechtliche als auch zivilrechtliche Implikationen hat. In den letzten Jahren gewinnt das Thema an Bedeutung, da es zunehmend in öffentlichen und juristischen Diskursen diskutiert wird. 

Nachfolgend werden wir den Fall des „Stealthings“ rechtlich einordnen. Hierbei werden wir insbesondere darauf eingehen, wie sich der vermeintliche Täter strafbar macht und welche Beweisschwierigkeiten es in diesem Zusammenhang gibt. Zudem werfen wir einen Blick auf die Entwicklungen in der Rechtsprechung im Zusammenhang mit dem „Stealthing“.

Was ist das „Stealthing“ und wie machen sich die vermeintlichen Täter strafbar?

„Stealthing“ liegt vor, wenn eine Person während des Geschlechtsverkehrs ein Kondom entfernt, ohne den Partner darüber zu informieren oder dessen Zustimmung einzuholen. Dies kann nicht nur zu einer ungewollter Schwangerschaft, die möglicherweise im späteren Verlauf mit etwaigen Unterhaltsverpflichtungen einher geht, sondern insbesondere auch zu der Verbreitung sexuell übertragbarer Krankheiten (z.B. Aids, Syphilis) etc.) sowie einer Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung führen.

Die strafrechtliche Einordnung des „Stealthings“ ist vielschichtig. Zum einen steht eine Körperverletzung im Sinne des § 223 StGB und zum anderen ein sexueller Übergriff im Sinne des § 177 I StGB im Raum.

Bereits das Übertragen von Krankheitserregern, insbesondere des HI-Virus, stellt, unabhängig davon, ob die (Aids-)Krankheit ausbricht, eine Körperverletzung im Sinne des § 223 I StGB dar, welche mit einer Geldstrafe oder einer Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren bestraft wird. 

Zudem stellt das „Stealthing“ nach gefestigter Rechtsprechung auch einen sexuellen Übergriff im Sinne des § 177 I StGB dar. Dies folgt insbesondere daraus, dass es anders als beim geschützten Geschlechtsverkehr mittels Kondom nunmehr zum unmittelbaren Kontakt unter anderem der Schleimhäute der Genitalien kommt. Kommt es zudem auch noch zu einem Samenerguss im Körper des Sexualpartners, liegt eine neue, weitergehende sexuelle Handlung als der bloße Vollzug des Geschlechtsverkehrs vor. Der Strafrahmen des sexuellen Übergriffs im Sinne des § 177 I StGB sieht eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu 5 Jahren vor.

Weiterhin sei angemerkt, dass das „Stealthing“ auch zivilrechtliche Konsequenzen haben kann. Die Betroffenen können sowohl Schadenersatzansprüche für entstandene Schäden (z.B. ungewollte Schwangerschaft oder Infektionen), als auch Unterlassungsansprüche in Bezug auf das künftige Unterlassen des „Stealthings“ geltend machen.

Welche Beweisschwierigkeiten gibt es im Zusammenhang mit dem „Stealthing“?

Das Thema „Stealthing“ stellt die Justiz vor erhebliche Herausforderungen hinsichtlich der Beweisführung. Die heimliche Entfernung des Kondoms ist eine subtile Handlung, die oft schwer nachzuweisen ist. Zudem birgt die Beweisbarkeit des vorsätzlichen Entfernens des Kondoms enorme Schwierigkeiten.

Das Entfernen des Kondoms erfolgt meist heimlich und ohne Zeugen. Es gibt keine unmittelbaren physischen Beweise, die eindeutig belegen, dass das Kondom während des Geschlechtsverkehrs entfernt wurde, womit es regelmäßig auf eine Aussage gegen Aussage- Situation hinausläuft.

Sofern die Beweise unzureichend sind und Beweis der Verwirklichung des Tatbestandes nicht zweifelsfrei geführt werden kann, wird der Beschuldigte in aller Regel in Anwendung des Zweifelssatzes „in dubio pro reo“ („Im Zweifel für den Angeklagten“) freigesprochen.

Welche Entwicklungen gibt es in der Rechtsprechung in Bezug auf das „Stealthing“?

Es ist mittlerweile gefestigte Rechtsprechung, dass es sich bei dem „Stealthing“ um einen Fall des sexuellen Übergriffs im Sinne des § 177 I StGB handelt. Dies wurde auch vom Bundesgerichtshof (BGH) bestätigt. 

Zudem deutete der BGH an, dass in den Fällen des „Stealthing“ auch die Verwirklichung des Regelbeispiels der Vergewaltigung nach § 177 VI 2 Nr.1 StGB in Betracht käme, womit für das „Stealthing“ eine deutlich beträchtlichere Strafe im Raum stehen würde, da der § 177 VI 2 Nr.1 StGB einen Strafrahmen von einer Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren bis zu 15 Jahren vorsieht. Eine Aussetzung der Vollstreckung der Freiheitsstrafe zur Bewährung dürfte hiermit in aller Regel ausgeschlossen sein.

Hierzu führte der BGH aus, dass in jenem Paragrafen steht, dass u.a. ein sexueller Übergriff einen besonders schweren Fall, namentlich eine Vergewaltigung, darstellen kann, wenn der Täter bei dem sexuellen Übergriff den Beischlaf mit dem Opfer vollzieht. Dies ist bei der Definition des „Stealthing“ immer der Fall, da Täter und Opfer Geschlechtsverkehr haben. 

Jedoch handelt es sich hierbei um ein Regelbeispiel, dessen Regelungswirkung auch vom einzelnen Tatrichter abgelehnt werden kann.

Hiermit hat der BGH lediglich die Gesetzessystematik wiedergegeben, ohne sich für oder gegen eine Regelungswirkung im Falle des „Stealthings“ zu positionieren und Stellung zu nehmen.

Es bleibt also abzuwarten, wie der BGH in den Fällen des „Stealthings“ entscheiden wird.

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