Einvernehmlichkeit im Rahmen des § 177 VI Nr.1 StGB (Vergewaltigung)

In den letzten Jahren hat die Diskussion um sexuelle Gewalt und Vergewaltigung erheblich an Bedeutung gewonnen. Besonders im Mittelpunkt steht die Frage nach der Einvernehmlichkeit – also, wann eine sexuelle Handlung rechtlich als Zustimmung gilt und wann nicht. Diese Thematik ist nicht nur juristisch komplex, sondern berührt auch gesellschaftliche Normen, Moral und den Schutz der Opfer.

Nachfolgend werden wir die rechtliche Grundlage der Vergewaltigung erläutern und hierbei explizit auf den Begriff der „Einvernehmlichkeit“ eingehen. Anschließend gehen wir darauf ein, welche praktischen Probleme mit dem Tatbestandsmerkmal der „Einvernehmlichkeit“, insbesondere mit der Beweisbarkeit dieser einhergehen. Abschließend werfen wir dann noch einen Blick auf die aktuellen Entwicklungen in der Rechtsprechung und gehen hierbei insbesondere auf die Fälle der „Einvernehmlichkeit“ im Zusammenhang mit dem Konsum von Alkohol oder anderer berauschender Mittel wie Drogen ein.

Auf welcher rechtlichen Grundlage beruht der Straftatbestand der Vergewaltigung und wie ist der Begriff der „Einvernehmlichkeit“ zu verstehen?

Der Straftatbestand der Vergewaltigung ist in § 177 VI Nr.1 StGB normiert. Hiernach liegt eine Vergewaltigung immer dann vor, wenn der Täter mit dem Opfer den Beischlaf vollzieht oder vollziehen lässt oder ähnliche sexuelle Handlungen an dem Opfer vornimmt oder von ihm vornehmen lässt, die dieses besonders erniedrigen, insbesondere wenn sie mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind. 

Jedoch gilt auch hier, dass eine Vergewaltigung ausgeschlossen ist, wenn der Beischlaf oder die ähnliche sexuelle Handlung im Sinne des § 177 VI Nr.1 StGB im Einvernehmen der beiden Parteien erfolgte. 

„Einvernehmlichkeit“ liegt vor, wenn beide Parteien freiwillig, bewusst und ohne Zwang in eine sexuelle Handlung eingewilligt haben. Das bedeutet, dass die Zustimmung aktiv erteilt wurde und nicht durch Druck, Manipulation oder Täuschung erlangt wurde.

Welche praktischen Probleme gibt es mit dem Tatbestandsmerkmal der „Einvernehmlichkeit“ und der Beweisbarkeit dieser?

Trotz grundsätzlich klarer gesetzlicher Regelungen gestaltet sich die praktische Anwendung schwierig. Dies liegt zunächst daran, dass die beidseitige Zustimmung bzw. die „Einvernehmlichkeit“ rein subjektiver Natur ist, so dass die Zustimmung als innere Willensentscheidung nur schwierig objektiv überprüfbar ist. 

Oftmals sind keine direkten Beweise für oder gegen eine Zustimmung vorhanden. Da in der Regel nur die Beteiligten anwesend gewesen sind und sich ihre Aussagen auch regelmäßig widersprechen dürften, liegt häufig zunächst einmal eine Aussage gegen Aussage-Situation vor. Es können zwar teilweise Zeugenberichte, SMS oder andere Kommunikationsmittel herangezogen werden, diese sind jedoch nicht immer eindeutig.

Weiterhin werden solche Taten häufig erst Jahre später zur Anzeige gebracht, was ebenfalls zu Beweisproblemen führt, da das Opfer die Geschehnisse regelmäßig nur noch stark verzerrt wiedergeben kann.

Das Gericht kann demnach nur anhand von Indizien, Aussagen und Umständen auf eine Zustimmung schließen, womit die Beweisbarkeit der fehlenden „Einvernehmlichkeit“ nur sehr schwierig und unter besonders hohem Begründungsaufwand zu bewerkstelligen ist.

Die Beweislast liegt bei dem Ankläger, also der jeweils zuständigen Staatsanwaltschaft. Bei Zweifeln hinsichtlich der fehlenden „Einvernehmlichkeit“ kommt grundsätzlich der Zweifelssatz „in dubio pro reo“ („Im Zweifel für den Angeklagten“) zur Anwendung, was zu einem Freispruch des Angeklagten führt.

Welche Entwicklungen zeichnen sich in der Rechtsprechung ab und wie werden die Fälle, die im Zusammenhang mit der Einnahme von berauschenden Mitteln stehen, beurteilt?

Die Rechtsprechung im Bereich der sexuellen Selbstbestimmung und der Beurteilung von Einvernehmlichkeit bei Vergewaltigung hat in den letzten Jahren bedeutende Entwicklungen durchlaufen. Diese Veränderungen spiegeln sich vor allem in der zunehmenden Sensibilisierung für die subjektiven Aspekte des Opferschutzes sowie in der klareren Abgrenzung zwischen einvernehmlicher Sexualität und strafbarer Handlung wider.

Die Rechtsprechung hat sich dahingehend weiterentwickelt, dass eine ausdrückliche Zustimmung (z.B. durch Worte oder eindeutiges Verhalten) notwendig ist, um eine sexuelle Handlung als einvernehmlich zu qualifizieren. Hierbei hat der Bundesgerichtshof (BGH) wiederholt betont, dass Schweigen oder passives Verhalten keine Zustimmung darstellen und somit eine Vergewaltigung vorliegen kann, wenn das Opfer nicht aktiv zustimmt. 

Zudem wird die „Einvernehmlichkeit“ von den Gerichten genauer und strenger geprüft. Es besteht ein wachsendes Bewusstsein dafür, dass passive Signale kein Indiz für Zustimmung sind und eine Täuschung sowie eine Manipulation im Kontext der „ Einvernehmlichkeit“ berücksichtigt werden müssen.

Insbesondere ist die Problematik der „Einvernehmlichkeit“ bei Vergewaltigung im Zusammenhang mit Alkohol- und Drogenkonsum ein zentrales und komplexes Thema in der Rechtsprechung. Sie betrifft vor allem die Frage, ob das Opfer zum Zeitpunkt des sexuellen Kontakts noch in der Lage war, eine bewusste und freiwillige Zustimmung zu geben. Hierbei ergeben sich mehrere rechtliche, praktische und ethische Herausforderungen.

Berauschende Mittel wie Alkohol und Drogen können die kognitive Funktion erheblich einschränken, sodass das Opfer möglicherweise nicht mehr in der Lage ist, eine klare Entscheidung zu treffen oder eine Zustimmung aktiv zu erteilen, womit die Voraussetzungen einer „Einvernehmlichkeit“ in diesem Fall nicht mehr vorliegen würden.

Bei diesen Fällen im Zusammenhang mit berauschenden Mitteln müssen die Gerichte stets sorgfältig den Zustand des Opfers überprüfen. In vielen Fällen in der Rechtsprechung wird entschieden, dass eine Zustimmung nur dann vorliegt, wenn das Opfer noch in der Lage war, eine bewusste Entscheidung zu treffen – was bei erheblichem Einfluss der berauschenden Mittel auf die Urteilsfähigkeit des Opfers meist verneint wird.

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