Die Dynamik im Sexualstrafverfahren

Eine Anzeige wegen Vergewaltigung ist kein gewöhnlicher Vorwurf – sie zieht in Deutschland drastische Konsequenzen nach sich, auch wenn die Tat nicht bewiesen ist. Bereits das Ermittlungsverfahren kann das Leben eines Beschuldigten grundlegend verändern. Als Strafverteidiger in zahlreichen Sexualstrafverfahren erlebe ich täglich, wie schnell ein Verdacht zur Anklage – oder gar zur Inhaftierung – führt, obwohl die Beweislage dünn oder unklar ist.

In diesem Artikel erfahren Sie, was konkret nach einer Anzeige wegen Vergewaltigung passiert, welche Rechte Sie als Beschuldigter haben, und warum Sie frühzeitig anwaltliche Hilfe in Anspruch nehmen sollten. Der Text richtet sich an Betroffene, Angehörige und interessierte Laien – verständlich, juristisch fundiert und aus der Verteidigungsperspektive.

Vergewaltigung ist ein Offizialdelikt, Ermittlungen sind Pflicht!

Wird jemand wegen Vergewaltigung angezeigt, beginnt automatisch ein Ermittlungsverfahren – unabhängig davon, ob das mutmaßliche Opfer den Vorwurf später widerruft. Vergewaltigung fällt unter die sogenannten Offizialdelikte (§ 177 StGB). Die Staatsanwaltschaft ist gesetzlich verpflichtet, der Anzeige nachzugehen, sobald sie Kenntnis erlangt (§ 152 Abs. 2 StPO).

Das bedeutet: Auch wenn es keine körperlichen Spuren gibt, keine Zeugen existieren und keine weiteren Beweise vorliegen, genügt häufig allein die Aussage des vermeintlichen Opfers, um ein Verfahren einzuleiten – insbesondere, wenn diese konsistent erscheint.

Was passiert nach einer Anzeige wegen Vergewaltigung?

Nach dem Eingang der Anzeige leitet die Polizei das Verfahren ein und beginnt mit der Beweissicherung. Ein typischer Ablauf ist die befragung des mutmaßlichen Opfers (ggf. durch geschulte Beamte). Die Sicherstellung von Beweismitteln: etwa Kleidung, Chatverläufe, Videoaufnahmen, medizinische Unterlagen und die Vernehmung des Beschuldigten – meist verbunden mit einer Vorladung durch die Polizei oder Staatsanwaltschaft.

Möglich sind euch eine Hausdurchsuchung, insbesondere zur Sicherung von Smartphones, Laptops oder Tagebüchern und in schwerwiegenden Fällen ein Antrag auf Untersuchungshaft.

Der Ausgang des Verfahrens hängt stark davon ab, wie glaubhaft die Aussage des mutmaßlichen Opfers eingeschätzt wird und ob objektive Beweismittel existieren. Aussagepsychologische Gutachten sind in diesen Konstellationen üblich – und oft entscheidend für die Beweiswürdigung durch das Gericht.

Aussage gegen Aussage: Ein gefährliches Terrain

In vielen Vergewaltigungsfällen liegt keine objektive Beweislage vor. Es steht Aussage gegen Aussage – was jedoch nicht bedeutet, dass das Verfahren automatisch eingestellt wird. Die Gerichte können auch auf Basis einer einzelnen, als glaubhaft eingeschätzten Aussage verurteilen.

So urteilte auch der Bundesgerichtshof (BGH) in seiner Entscheidung vom 30.07.2020 (Az. 2 StR 573/19), dass eine glaubhafte Zeugenaussage – auch ohne weitere Beweismittel – Grundlage für eine Verurteilung sein kann, wenn sie nachvollziehbar, detailreich und frei von Widersprüchen ist.

Diese Rechtsprechung zeigt: Auch ohne DNA-Spur, Zeugen oder objektive Beweise kann eine Anzeige zur Haft führen. Die Aussageanalyse durch Polizei und Gericht ist dabei der zentrale Prüfstein.

Was sind die konkreten Folgen für Beschuldigte?

Schon die Einleitung des Verfahrens kann erhebliche Folgen haben – auch ohne Anklage oder Urteil. Hier seien nur einmal folgende genannt:

  • Soziale und berufliche Ausgrenzung: Der Vorwurf allein ruiniert oft das Ansehen in Familie, Freundeskreis und Beruf
  • Hausdurchsuchung: Die Durchsuchung der eigenen Wohnung ist ein tiefgreifender Eingriff
  • Verlust von Arbeit, Sorgerecht oder Aufenthaltsstatus bei Verdacht auf Sexualdelikte
  • Untersuchungshaft: § 112 Abs. 3 StPO erlaubt U-Haft bei besonders schweren Delikten wie Vergewaltigung, selbst ohne klassischen Haftgrund

Im Falle einer Verurteilung drohen mindestens zwei Jahre Freiheitsstrafe (§ 177 Abs. 6 StGB), bei besonders schweren Fällen sogar bis zu 15 Jahre. Eine Bewährungsstrafe ist bei Vergewaltigung selten. Auch ein Eintrag im Führungszeugnis, die Aufnahme in das Bundeszentralregister und oft lebenslange gesellschaftliche Stigmatisierung sind die Folge.

Ihre Rechte als Beschuldigter und wie Sie sie richtig nutzen

Auch bei einem schwerwiegenden Vorwurf wie Vergewaltigung gilt: Sie sind nicht verpflichtet, sich zu äußern. Im Gegenteil – jede unüberlegte Aussage kann Ihnen schaden.

Ihre wichtigsten Rechte:

  • Schweigerecht (§ 136 Abs. 1 StPO): Sagen Sie nichts – weder bei der Polizei noch bei der Staatsanwaltschaft.
  • Recht auf Akteneinsicht (§ 147 StPO) – ausschließlich über Ihren Anwalt
  • Recht auf Verteidigung (§ 137 StPO) – Sie dürfen jederzeit einen Strafverteidiger beauftragen
  • Recht auf faires Verfahren – einschließlich Beweisanträgen, Gegengutachten und Verteidigergesprächen

Handlungsempfehlung: So verhalten Sie sich richtig nach einer Anzeige

Keine Aussagen ohne Anwalt ! Auch nicht im „lockeren“ Gespräch mit der Polizei

  • Beweise sichern: Speichern Sie Chatverläufe, Fotos, Zeugenkontakte – auch wenn sie „nebensächlich“ erscheinen
  • Frühzeitig einen Anwalt für Strafrecht einschalten
  • Hausdurchsuchung? Schweigen Sie! Geben Sie keine Passwörter preis
  • Verhalten Sie sich ruhig – keine Kontaktaufnahme mit dem Anzeigenerstatter

Ein erfahrener Strafverteidiger prüft, ob die Anzeige Substanz hat, ob ein Aussagepsychologisches Gutachten sinnvoll ist, und ob eine Einstellung des Verfahrens durch die Staatsanwaltschaft möglich ist (§ 170 Abs. 2 StPO oder § 153a StPO).

Beim Vorwurf der Vergewaltigung auf jeden Fall frühzeitig handeln, denn der Schaden beginnt nicht erst mit der Strafe

Eine Anzeige wegen Vergewaltigung trifft Beschuldigte meist unerwartet – doch der Schaden beginnt oft nicht erst mit einem Urteil, sondern bereits mit dem Verdacht. Der soziale und psychische Druck ist enorm. Deshalb ist frühzeitige anwaltliche Hilfe entscheidend.

Als Strafverteidiger kann ich Ihre Rechte wahren, Beweise sichern, Verfahren aktiv beeinflussen und im besten Fall eine Anklage verhindern. Je früher Sie mich kontaktieren, desto mehr Handlungsspielraum besteht – oft bereits bevor die Ermittlungsakte geschlossen ist.