Was ist ein DNA-Beweis und warum ist er im Strafverfahren wegen Vergewaltigung so relevant?
Ein sogenannter DNA-Beweis basiert auf dem genetischen Fingerabdruck eines Menschen. Diese Analyse gilt in vielen Strafverfahren als scheinbar objektives und sicheres Mittel zur Identifizierung von Tatverdächtigen. Vor allem im Sexualstrafrecht (§ 177 StGB – Vergewaltigung und sexuelle Nötigung) spielt die Sicherung und Auswertung von DNA-Spuren eine zentrale Rolle. Dabei werden biologische Spuren wie Blut, Speichel, Hautzellen, Sperma oder Haare gesichert und im Labor mit bekannten DNA-Profilen verglichen.
Viele Betroffene eines Ermittlungsverfahrens – ob Beschuldigte oder Angehörige – sind zunächst erschrocken, wenn sie erfahren, dass eine DNA-Übereinstimmung festgestellt wurde. Doch entgegen der öffentlichen Wahrnehmung ist eine solche Spur kein automatischer Schuldnachweis. Die Verteidigung gegen DNA-Beweise erfordert juristische und naturwissenschaftliche Sorgfalt.
Wie läuft die DNA-Analyse ab?
Nach einer mutmaßlichen Straftat – z. B. bei vermeintlichem sexuellen Kontakt gegen den Willen der Beteiligten – sichern Kriminaltechniker mögliche biologische Spuren vom Körper des vermeintlichen Opfers, von Kleidung, Bettwäsche oder vom Tatort. Diese werden im Labor des Landeskriminalamts (LKA) oder in einer spezialisierten Forensik-Einrichtung analysiert. Ziel ist es, ein individuelles DNA-Profil zu erstellen.
Dieses Profil wird mit bekannten DNA-Mustern abgeglichen – etwa aus einer freiwilligen Abgabe, einer richterlich angeordneten Probe oder einer DNA-Datenbank. Kommt es zu einer Übereinstimmung, spricht man von einem „Treffer“, der als indizieller Beweis gewertet werden kann – aber nicht muss.
Wichtig: Eine DNA-Spur beweist nicht, wie, wann oder in welchem Zusammenhang sie entstanden ist.
Problemfelder bei DNA-Beweisen: Häufige Fehler und Missverständnisse
Sekundärübertragung: Wie eine Spur ohne direkte Tatbeteiligung entstehen kann
Ein zentrales Problem, das oft verkannt wird, ist die Sekundärübertragung. Dabei kann DNA eines Menschen durch alltäglichen Kontakt auf eine andere Person oder einen Gegenstand übertragen werden – beispielsweise durch:
- gemeinsames Sitzen auf Möbeln,
- Händeschütteln und anschließendes Berühren eines Objekts,
- Nutzung desselben Toilettenraums oder Handtuchs,
- Tragen von geliehener Kleidung.
In einer Entscheidung des OLG Schleswig (Beschl. v. 27.06.2017 – 2 Ws 161/17) wurde betont, dass DNA-Spuren allein keinen Nachweis für eine Tatbeteiligung liefern, wenn andere plausible Übertragungswege denkbar sind.
Mischspuren und fehleranfällige Auswertungen
Eine weitere Quelle für Unsicherheit sind sogenannte Mischspuren, also Spuren, die DNA von mehreren Personen enthalten. Diese müssen mithilfe statistischer Wahrscheinlichkeitsberechnungen auseinandergehalten werden – ein komplexes Verfahren, das fehleranfällig und oft streitanfällig ist. Bereits kleine Verunreinigungen im Labor oder eine unsaubere Trennung der DNA-Anteile können zu falschen Ergebnissen führen.
Zudem ist die Interpretation durch Sachverständige nie rein objektiv. Unterschiedliche Gutachter kommen häufig zu abweichenden Bewertungen derselben Spur. Genau hier setzt eine fundierte Verteidigung an.
Ihre Rechte als Beschuldigter, was Sie wissen und beachten sollten
Als Beschuldigter eines Sexualdelikts oder anderer schwerer Straftaten haben Sie auch im Zusammenhang mit einer DNA-Untersuchung klare Rechte, die oft nicht ausreichend kommuniziert werden:
- Eine DNA-Probe darf nur mit Ihrer ausdrücklichen Einwilligung oder einem richterlichen Beschluss (§ 81g StPO) erfolgen.
- Sie müssen einer Speichelprobe nicht zustimmen – nutzen Sie Ihr Schweigerecht und handeln Sie nur nach anwaltlicher Beratung.
- Sie haben das Recht, die DNA-Ergebnisse durch einen unabhängigen Sachverständigen überprüfen zu lassen (Gegengutachten).
- Bei unklarer Herkunft der Spur kann ein Antrag auf Ausschluss der Verwertung gestellt werden.
Besonders wichtig: Wenn DNA-Spuren im Rahmen einer Hausdurchsuchung oder nach ärztlicher Untersuchung sichergestellt wurden, lohnt sich eine Überprüfung, ob die Maßnahme rechtswidrig war. Eine unzulässige Beweiserhebung kann zur Unverwertbarkeit im Prozess führen.
Warum Sie bei DNA-Spuren frühzeitig einen Strafverteidiger einschalten sollten
In meiner Praxis als Strafverteidiger sehe ich regelmäßig, dass DNA-Funde überbewertet werden – vor allem bei Aussage-gegen-Aussage-Konstellationen im Sexualstrafrecht. Eine gut vorbereitete Verteidigung kann:
- den Kontext der Spur anzweifeln (Sekundärübertragung, Altkontakt, Verunreinigung),
- die Verwertbarkeit anfechten (fehlender richterlicher Beschluss, Fehler in der Kette der Spurensicherung),
- und ein Gegengutachten durch einen forensischen Spezialisten einholen.
Viele Gerichte sind heute zurückhaltender geworden, DNA-Spuren als „automatischen Schuldspruch“ zu werten. Das Landgericht Kaiserslautern hob 2020 ein Urteil auf, weil die DNA-Spur an einem Kleidungsstück nicht zweifelsfrei der Tat zugeordnet werden konnte – eine Entscheidung, die zeigt, wie wichtig eine kritische Einordnung ist.
DNA ist kein Beweis für Schuld
DNA-Beweise können in einem Strafverfahren ein wichtiges Puzzleteil sein – aber sie sind kein eindeutiger Tatnachweis. Sie sagen nichts über den Tathergang, die Absicht oder den zeitlichen Kontext aus. Besonders im Sexualstrafrecht kommt es auf das gesamte Beweisgefüge an – Aussagen, Verhalten, psychologische Gutachten, Begleitumstände.
Verlassen Sie sich nicht auf das „objektive“ Image der DNA – sondern holen Sie sich frühzeitig anwaltliche Unterstützung. Ein erfahrener Strafverteidiger mit Kenntnissen in forensischer Beweisanalyse kann entscheidend dazu beitragen, die DNA-Spur einzuordnen, Missverständnisse zu vermeiden und Ihre Rechte zu wahren.